Programmänderung: Bruckner statt Marx. (DWR gibt auf.)

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Nein, es hat nichts mit der Wahl des neuen US-Präsidenten zu tun. Jedenfalls nicht mehr damit als mit den übrigen Ereignissen in einer jahrelangen Reihe, die zusammen eine historische Entwicklung sehr deutlich anzeigt. Manche lesen diese Entwicklung als Imperativ. Machen wir weiter mit demselben, nur besser, jetzt erst recht! Oder Ähnliches. Wir nicht. Wir lesen diese Entwicklung als klare Niederlage. Wir sehen den Sturm und laufen ihm nicht engagiert entgegen. Zumal die Engagierten ihn einst verhindern wollten.

Um es ohne Bild zu sagen: Wir glauben, dass die Erfolgsaussichten einer aufklärerischen Agitation, die auf eine radikal andere, sozialere Welt zielt, noch nie so schlecht waren wie heute und die globale politische Linke seit fast zweihundert Jahren nicht mehr derartig schlecht dagestanden hat wie jetzt. Diese These kann man angreifen. Vielleicht fielen manchem Historiker findige Gegenbelege ein. Wir fürchten aber, dass sie nicht gut genug wären, unser Bild von unserer Epoche wesentlich zu verbessern. Natürlich kennen wir den richtigen Einwand, dass die schiere Quantität seiner Widersacher die Qualität eines Arguments nicht schmälert. Wir nehmen auch nichts zurück. Wir sind immer noch Marxisten. Wir halten immer noch für richtig, was wir in diesem Blog veröffentlicht haben. Aber dass etwas richtig ist, heißt ja noch nichts. Um sich dafür einzusetzen, muss man die Möglichkeit sehen, dass dieser Einsatz sinnvoll ist. Und das ist er nach unserer Einschätzung nicht mehr.

Der Marxismus in einer bestimmten Lesart bleibt für uns eine Lehre mit großer Erklärungskraft. Aber eine politische Bewegung und übrigens auch eine politische Agenda wird damit nicht aus ihm. Er ist, für uns, lediglich noch ein scharfes Instrument der Kritik. Und es ist Heuchelei zu behaupten, dass damit allein schon eine neue, bessere Richtung vorgegeben wäre, die man nicht eigens mehr zu bestimmen hätte. Doch, das hätte man. Und wie diese Richtung dann noch praktikabel abzugehen sei – d.h. wie man die noch so elaborierte Blaupause der besseren Ordnung umsetzen will in einer Welt wie dieser – wäre noch eine weitere ungelöste Aufgabe. Der dritte Schritt wäre dann noch die Umsetzung selbst. Hielten wir bisher zumindest die erste Aufgabe für theoretisch lösbar, erscheinen uns nun die anschließenden Schritte vollkommen irreal.

Nicht den geringsten Drang empfinden wir mehr, unsere Erkenntnisse anderen mitzuteilen, die sie noch nicht hatten. Um uns über den Inhalt in fremden Köpfen zu ärgern oder überhaupt nur zu bekümmern, fehlt uns Zeit und Opfertum. Wir betrinken uns lieber, pflegen eine anregende Konversation, schreiben oder lesen ein Sonett, freuen uns über das Sonnenlicht, ein paar Welpen, die Gotik oder lauschen der achten Sinfonie von Bruckner. – Hören wir da ‚Gegenargumente‘? Gibt es etwa einen kategorischen Imperativ unter ‚Genossen‘, dass man seine Lebenszeit mit dem freudigen Kalkulieren minimalistischer Erfolgschancen vergeuden müsse? Wäre es nicht schade um so vieles, was uns entginge, wenn wir weiter mit liberalen Wirtschaftsstudenten über den Fall der Profitrate stritten… (Vielleicht fällt sie ja wirklich nicht: welchen Unterschied macht das eigentlich?)

Wir sind also Egoisten geworden – es gibt Marxisten, die genau das von ihren Zeitgenossen erwarten – ja, schlimmer noch: Defätisten. Biedermeier. Was auch immer. Wir haben genug von Sektierern, mediokren Nachbetern und marxologisch daherschnöselnden Studenten. Wir haben auch genug von circensisch theoretisierenden Begriffsbestimmungen, deren Auswirkungen auf die reale Gesellschaft geringer sind als die eines Furzes in der Oldenburger S-Bahn. Wo sich (alt-)linke Voluntaristen treffen, um ihre eigene Systemgegnerschaft zu zelebrieren wie Katholiken die eucharistische Wandlung: alle wissen, es ändert sich nichts, aber es ist nunmal der Weg zum Heil – werden wir uns künftig nicht mehr einfinden. Die Notwendigkeit des Überzeugens der Massen löst sich angesichts der dafür minimal benötigten drei Dutzend Lebensspannen für uns persönlich in nichts auf.

Und wir akzeptieren jedes versteckt-moralische Argument gegen unseren Defätismus. Mag sein, dass das feige ist und ‚der Sache‘ nicht dient. Mag sein, dass man ’sich selbst untreu‘ wird. Mag sein, dass es sogar irrational ist, die eigene Gesellschaft radikal zu kritisieren, ohne sich für eine Umgestaltung einzusetzen. Aber sobald man sich von dem Projekt einer Umgestaltung verabschiedet – und das tun wir hiermit – greifen diese Gründe alle nicht mehr. Und um moralische Attacken, die aus einem Gruppenkodex kommen, scheren wir uns jetzt immer noch genau so wenig.

Die Gesellschaft kann unseretwegen so bleiben wie sie ist und sich entwickelt. Nicht weil sie uns so am besten gefällt. Sondern weil wir die völlige Einflusslosigkeit unserer Position eingesehen haben und das Wort ‚unseretwegen‘ in obigem Satz nichts bedeutet. Wir mögen auch Regen nicht. Trotzdem schreiben wir keine Artikel gegen ihn. ‚Er darf weiterregnen‘ ist dann ein sinnloser Satz. Er muss nicht ‚dürfen‘, um zu regnen. Er ist der Regen, also regnet er. Und wir werden nass oder bleiben zuhause. Oder beides.

Wir finden, dass man, um vernünftig zu bleiben, auch Projekte beenden und Irrtümer einsehen können muss. Und wir finden, dies ist dafür der richtige historische Moment.

In der Hoffnung, deutlich genug gewesen zu sein, um alle unsere Leser zu verscheuchen, die weiterhin Wert auf eine stramme revolutionäre Grundhaltung bei jedem legen, mit dem sie kommunizieren, geben wir bekannt, uns in Zukunft keinen wirtschaftlichen, politischen oder ideologischen Themen mehr in diesem Blog zuzuwenden. Dieses Kapitel schließen wir endgültig ab. DWR sind nicht länger Teil der ‚linken Blogosphäre‘. Amen!

Sollten wir überhaupt noch Zeit und Lust finden, irgendwann neue Texte auf diese Seite zu laden, werden sie eher von klassischer Musik handeln, von Romanen, Philosophie, Ästhetik, Zweifeln, Logik, Kunst, dem Interesse an Vergangenem und anderen Wegen aus der Welt hinaus.

Denn das ist doch das Gute an der Welt: es führen so viele Wege von ihr weg, dass in ihr selber kaum noch ein Mensch übrigbleibt. –

Woher kommt die „enthemmte Mitte“?

Die aktuelle Leipziger „Mitte“-Studie bestätigt, was alle wissen: Deutschland wird rechter und radikaler. Die FAZ erwähnt auch folgende Aspekte:

„So stieg die Prozentzahl derjenigen, die glauben, dass Sinti und Roma zur Kriminalität neigen, von 44,2 auf 58,5 Prozent an. […] Die Prozentzahl derjenigen, die Homosexualität für unmoralisch halten, ist von 15,7 auf 24,8 Prozent gestiegen.“

Diese Zahlen können kaum als Reaktion besorgter Bürger auf islamistische Anschläge, Domplattengrabschereien und Flüchtlingsbewältigung gelesen werden. Sie belegen ganz einfach einen Rechtsruck und eine Entliberalisierung, die eben nicht auf reale Problemlagen reagieren, sondern als irrationale politische Strömung aus einer Arbeits- und Armutsdemokratie resultieren, in der das Kreuzchen bei Einerleiparteien das einzige Mittel minimierter Teilhabe des Einzelnen und die Erhöhung des eigenen Normaloelends in die Nation der einzig verbliebene gesellschaftliche ‚Trost‘ ist.

Minderheiten zu hassen – egal, ob Moslems, Roma oder Schwule – entspringt keiner wie auch immer gerechtfertigten oder ungerechtfertigten Angst vor Angehörigen dieser Minderheiten, sondern schlicht dem Bedürfnis, sich enger in die wärmende Mehrheitsgemeinschaft einzuschmiegen, die dann nach Belieben „Volk“, „Deutschland“, „der Westen“ oder „Europa“ heißt. Zugehörigkeit entsteht durch Abgrenzung und Bruderschaft durch Hass. Kollektive Euphorien wurden schon immer durch Grausamkeit erkauft. Aber sie bereiten den innerlich wie äußerlich verelendeten bürgerlichen Individuen wieder eine große mütterliche Gemeinschaft, eine zweckfreie Geborgenheit, in der nicht mehr gedacht, sondern nur noch geschrien oder geblutet wird. Die einzelne und allgemeine Regression in die Gebärmutter des Einen und Volkes: wie damals bei den Teutonen, als die Welt noch in Ordung war…

Rückschritt macht eben mehr Spaß als Fortschritt. Jedenfalls der einen Seite. Jedenfalls am Anfang.

 

Horror hominis – Das positive Wir erschrickt über die AfD

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Es ist schon ziemlich ärgerlich und nicht erstaunlich, wenn Linken bei der Betrachtung der AfD nicht viel mehr einfällt als dass das ja wieder mal alles Nazis seien. Zur Erinnerung: Nazis sind Nationalsozialisten. Der Nationalsozialismus betrieb den Holocaust als politische Hauptmaßnahme, einen Weltkrieg, die Gleichschaltung sämtlicher gesellschaftlicher Institutionen unter dem Führerprinzip und eine Rassenlehre, die über den heute nicht nur in der AfD verbreiteten Alltagsrassismus in ihrer pseudowissenschaftlichen Genauigkeit weit hinausging. Die AfD dagegen wird im Fall eines Erdrutschsieges bei den nächsten Bundestagwahlen weder KZ’s errichten noch Polen überfallen. Was noch kein Grund zur Freude ist. Denn natürlich ist die AfD menschenverachtend, reaktionär, autoritär und rassistisch. Aber sie ist keine Nazipartei. Diesen Unterschied sollte man auch als Linker verstehen.

 

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Sich über die Dummheit oder Bosheit von AfD-Wählern aufzuregen, kann erbauen und verbinden. Aber scheinheilig ist es dennoch, sich mit erschrockenen Demokraten über die Folgen der bürgerlichen Demokratie zu erregen, als wären die Folgen an sich selbst schuld. Die meisten AfD-Wähler, das belegen Umfragen, stören vor allem zwei Dinge, die sie zu ihrer Wahl bewegt haben:
1. Das unangenehme Gefühl, dass die Regierung nicht nach ihren Wünschen regiert.
2. Die als ungerecht empfundene Tatsache, dass Flüchtlinge Wohnungen und Taschengeld bekommen, ohne dafür arbeiten zu müssen – was ihnen selber aber keiner anbietet.

Man kann beides zwar als Untertanengeist (Warum überhaupt eine Regierung wählen?) oder Neid (Geht es mir denn besser, wenn es dem anderen schlechter geht?) abtun. Aber doch muss man zugeben, dass diese Wahrnehmungen einen wahren Kern haben: den nämlich, dass es um sie, die sich ‚Volk‘ nennen, und ihr Wohlergehen in der bürgerlichen Demokratie gar nicht geht. Das begreifen sie aber nicht. Und da verfallen sie auf ihr allerkleinstes Recht, das sie an ‚ihrer‘ Regierung zu haben meinen, nämlich die Staatsbürgerschaft – ‚Wie kann es sein, dass sich ein Staat, der Deutschland heißt, so schlecht um seine Deutschen kümmert?‘ – die in Wirklichkeit ein Recht des Staates an ihnen ist. So werden sie Patrioten. Dass der Staat sich schon lange um sie kümmert und dass gerade dieses Kümmern ja zu ihrer Unzufriedenheit führt, kapieren sie nicht, weil sie sich mit ihm trostreich identifizieren wollen. Sie meinen, dass alles besser würde, wenn sich ‚ihr‘ Staat vor allem oder nur noch um sie kümmern würde, die schlechte Behandlung also auf sein Staatsvolk beschränkte, damit daraus eine gute Behandlung würde.

 

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Der innere Widerspruch des Patriotismus deckt sich mit dem, was Karl Kraus über die Psychoanalyse gesagt hat: Er ist die Krankheit, für deren Heilung er sich hält. Vom antideutschen Westler über den sozialdemokratischen Wertespießer bis zur AfD wähnen sie alle, die bis zum Scheitel in rationalisierten Kuschelhormonen durch den Kapitalismus driften, dass das eigene Land oder die eigene Kultur als Impfung und Heilmittel gegen Krankheiten funktionieren müsse, die von genau diesen geliebten Systemen erst hervorgerufen worden sind. Der Westen, denkt man dann, ist die gute Kraft im Kampf gegen den zweifelsohne nicht so guten Islamismus, dessen so erfolgreiche Radikalisierung überhaupt erst eine Konsequenz westlicher Einmischungen in die arabische Welt gewesen ist. Gegen die Flüchtlinge, denken sie, helfe nur ein starker Nationalstaat mit rücksichtslosem außenpolitischem Egoismus, als wäre es nicht genau diese Art imperialen Kalküls, die immer noch ganze Volkswirtschaften in Afrika durch Preisdruck verkümmern und unliebsame arabische Regime im Bürgerkrieg versinken lässt, von wo dann die Millionen flüchten.

Im selben Widerspruch empfehlen Antifa-Linke, dass man doch wählen gehen soll, damit ‚die Rechten‘ nicht meine Stimme erhalten: ich soll also eine der Parteien stärken, die eine Gesellschaft aufrechterhalten, welche so etwas wie die AfD erst hervorbringt, nur weil sonst noch mehr Prozent auf diese AfD entfallen?! Mich also demselben Parlamentarismus anbiedern, dessen hässliche Seiten ich vermeiden will? Äh. Nein.

Aber zwischen Abgrenzung und Identifikation ist selten Platz für eine vernünftige Erklärung. Jeder Gedanke wird, einmal aus der positivsten Gefühlsperspektive ‚gedacht‘, zum Reflex auf unbewusste Regungen und jede argumentative Auseinandersetzung muss dann scheitern. Eigene Denkfehler werden auch dann nicht erkannt, wenn sie zum eigenen Nachteil sind: der eigene Staat – ein falscher Freund in feindlicher Zeit.

 

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Genau dieses Fehlverständnis erkennt man wunderbar in einer Stadt wie Bitterfeld, wo z.B. 31,9% von 62% Wählern, also absolut ca. 20% der Wahlberechtigten die AfD gewählt haben. 10-11% der Einwohner sind arbeitslos. Das ist der Durchschnittswert in Sachsen-Anhalt und Spitzenwert aller Bundesländer (neben Mecklenburg-Vorpommern). Man kann davon ausgehen, dass es eine signifikante Schnittmenge von Hartz-IV-Empfängern und AfD-Wählern gibt. Und das, obwohl die AfD in ihrem Wahlprogramm davon spricht, dass der Niveau-Unterschied zwischen Hartz-IV und schlecht bezahlter Arbeit deutlich vergrößert werden muss, um den Schmarotzern Beine zu machen. Für eine Senkung von Hartz-IV hat sich kürzlich Lydia Funke vom dortigen AfD-Landesvorstand ausgesprochen. (Selbst wenn sie sich verplappert haben mag: sie wird nicht die einzige in ihrer Partei sein, die so ähnlich denkt.)

Das heißt also, dass Leute, die arm dran sind, nämlich deutsche Arbeitslose, aus Neid auf Leute, die noch ärmer dran sind, nämlich Flüchtlinge, eine Partei wählen, die beide noch ärmer machen will.

Das muss man erst einmal zu verstehen versuchen, um zu begreifen, wie sehr von Ideologien und wie wenig von materiellen oder anderen rationalen Erwägungen die Untertanen der bürgerlichen Demokratie geleitet werden. Aus Irrtümern über sich und andere werden Irrtümer gefolgert, die zur politischen Agenda werden, sobald der Irrtum zur Partei wird. Alles läuft falsch – und ist trotzdem erfolgreich. Wer das sieht und weiterhin zur Wahl geht, dem ist nicht mehr zu helfen.

 

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Daran sind aber nicht die AfD-Wähler allein schuld, sondern auch diejenigen und vor allem dasjenige, was sie in diese Lage gebracht hat, in der es vor lauter Verbitterung und Neid und Wut aus den eigenen Irrtümern keinen Ausweg mehr gibt. (Denn mit dem rechten psychischen Kitt halten auch wirre Ideologien erst richtig gut zusammen und erwecken bei ihren Inhabern einen Anschein von Stringenz.) Und diese Lage hat viele Namen, die keine der antretenden Parteien, und schon gar nicht die LINKE, entheiligen wollen: Arbeit – Staat – Familie – Geld – Europa – Werte – Tradition – gerechter Lohn und was der hohlen Glaubensphrasen mehr sind. Darauf hoffen heißt bei Enttäuschung und Hass enden.

Der hässliche Nazi hat sich nicht aus seinem eigenen Schenkel geschnitten, er ist das Ergebnis einer gesellschaftlichen Prägung, in der jene pseudoindividuellen Münzen gefertigt werden, die zur Aufrechterhaltung der Ökonomie eben nötig sind. Wer über den abscheulichen Menschen und seine unerfreulichen Eigenschaften lästert und womöglich noch den ‚Glauben an die Menschheit‘ zu verlieren droht, der vergisst, dass Menschen nur in historischen Modellen vorkommen. Und wem ein Modell nicht gefällt, dem gefällt notwendigerweise die jeweilige historische Produktionsweise nicht… Der Mensch des Spätkapitalismus und der bürgerlichen westlichen Mediendemokratie ist nun einmal in aller Regel nicht besser als seine Welt: ihre Tugenden sind seine Tugenden, wie sie funktioniert, so funktioniert und denkt auch er, was man in ihr für Glück und Gut hält, wird auch er dafür halten, und was sie zerstört an ihm, muss er erdulden. Neidische, frustrierte, hassende und irrationale Wähler sind eine historische Konlusion aus ihrer Lage im Deutschland des 21. Jahrhunderts. Die Marktwirtschaft ist die Mutter hässlicher und unfreundlicher Kinder. Und das wird so bleiben, solange sie besteht. Es liegt in ihren Genen.

 

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Und genau so lange auch wird Politik mit Irrtümern gemacht werden, und derjenige, der sie aufklären will, bleibt notwendigerweise politisch machtlos.

Damit muss man dann eben leben. Alle anderen aber auch. –

 

Sex-Flüchtlings-Fascho-Brain-Massaker – „What side you on?“

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Kürzlich lesen wir das hier in der Zeitung:

„Sechs Monate war ich in Deutschland in unzähligen Städten in Flüchtlingsunterkünften. Ich dachte hier wäre es sicher, aber es ist noch schlimmer als in Bagdad. In einem Camp in Nürnberg gab es viele rechtsradikale Attacken. Wir mussten uns selbst verteidigen, die Security ist dann immer verschwunden. Wir wurden sehr schlecht behandelt, beschimpft, das Essen war furchtbar“, erzählt Zaman Nabil Yusef (25). „Auch wenn ich vielleicht sterbe, ich habe hier keine Hoffnungen mehr und möchte zurück zu meiner Familie“, so Nabil Yusef weiter. (B.Z. vom 14.01.2016)

Gut für den Mob („Genau! Sollen sie doch!“ bzw. „Seht ihr, hat doch was gebracht!“) – schlecht für das Kapital: Iraker, die Bagdad Nürnberg vorziehen, machen schlechte Presse und schaden dem Image der sympathischen Nation; die Arbeitgeber bekommen vielleicht doch nicht ihre angeforderten 500.000 Stück (BDA-Präsident Kramer) willige Ausbeutungsmasse, und Angela Merkel stünde nicht mehr als christliche Übermutti und transnationale Richterin über Gut und Böse in der arabischen Staatenwelt da, sondern als die Frau, die es sich mit allen, Linke, Rechten und Mittleren, im In- und Ausland verdorben hat…

Aber ob sie nun alle hierbleiben oder alle zurückexpediert werden, ob sie nun Frauen angreifen oder brav am Fließband stehen, ob sie Islamisten oder Wahlschwaben werden und ob sie Chirurgen sind oder Analphabeten – die ideologische Gefühlslandschaft der Germanen ist vom krisenkapitalistischen Stellungskrieg zerfurcht wie weiland die Ardennen. Die Gesinnungserklärungen der staatstragenden liberalen Milieus eiern zwischen hundert ‚Aber‘ ins Leere, und der simple Geist füllt die Lücke fürs Volk: der Fremde in Gestalt des Moslems wird einmal mehr zum unvereinbaren Gegensatz zu einer Heimat, an der man sich erst dann so recht erfreuen kann, wenn man sieht, was alles Schlechtes sie doch immerhin nicht ist und wovor ihre Grenzen einen doch bewahren. Ja, Grenzen sind wieder en vogue. Grenzen und Waffen und Militär. Allein das spricht gegen die geschehene Entwicklung. – Und wer wollte leugnen, dass es jenseits der Grenzen so einiges Schlechte gibt? ‚Wollt ihr etwa Nachbarn vom IS und Rape-Culture-Bannmeilen?‘ Schon ist die Debatte entschieden! Deutschland rückt zusammen (und nicht nur Deutschland), zumindest einige, viele, die vorher getrennt waren, und es gibt keine, wirklich keine guten demokratischen Argumente gegen oder Angebote an diejenigen, deren Unversöhnlichkeit jedes neue Problem, das ein voriges ausgebrütet hat, zu bestärken scheint. Für zu viele Hirne gilt: In der Krise gibt alles den Rechten Recht. Denn sehen wir nicht alle, dass es nicht funktioniert?

Als rationaler Mensch oder, was das gleiche ist, als Kommunist sollte man sich in die Streitigkeiten zwischen Faschisten und Demokraten (und ihren Varianten und Verbündeten) erst gar nicht einmischen. Von dem, was ist, darf man sich nicht ablenken lassen durch das, was überall darüber gesagt wird – gerade die Irrtümer müssen nicht auch noch wiederholt werden. Wenn zwei sich streiten, ob die Erde ein Krapfen oder ein Marschmellow ist, sollte man nicht an deren ‚Erkenntnisse‘ anknüpfen, sondern sie insgesamt ablehnen und den Wirren die dritte Version entgegenschreien:

1. Sobald es in globalem Ausmaß Flüchtlinge gibt, gibt es schon eine Ursache in der Weltordnung, die beseitigt gehört. Diese Ursache ist politökonomisch fassbar und ist seit langem untersucht und beschrieben: Kapitalismus, Imperialismus, bürgerliche Gesellschaft – also das, was in brisanten Debatten nie vorkommt. Fresse halten und Marx lesen!

2. Diese Ursache beseitigt man nicht dadurch, dass man ehrenamtlich Deutsch unterrichtet oder Flüchtlingsheime anzündet, gegen Sexismus demonstriert oder Bürgerwehren gründet, den Islam verteidigt oder kritisiert, Merkel abwählt oder demokratische Werte gegen ‚die Nazis‘ verteidigen will! Selbst wenn manche dieser Projekte für sich richtig sein mögen, würde es selbst dann zu keiner Verbesserung der Problemlage führen, wenn man diese Projekte erfolgreich zu Ende führen könnte. Denn dann ginge die alte Scheiße einfach weiter, mit menschlicherem Antlitz plus einer weiteren Illusion, mit der man sich sein Tun und Leben besserlügt…

3. Die bürgerliche Demokratie ist kein Asyl, sondern die Kehrseite der Flucht. Wer sie verteidigt, verteidigt den globalen Kriegszustand, der auch ihn und sie selbst erfassen muss. Dafür sind die Flüchtlinge übrigens Vorboten.

 4. Und Neonazis sind einfach Leute, denen beim mehrheitlichen Anpassen an die Tugenden des bürgerlichen Staatswesens (Heimatliebe, Fleiß, Verzicht, Moral) die ironische Distanz abgeht, die der ebenso angepasste Intellektuelle schon als Auf- und Abgeklärtheit zelebriert.

Der liberale und der faschistische Geist sind zwei Affen, die um dieselbe Banane streiten: der eine hat gute Gründe und der andere hat eine Keule. –

Menschen – gibt es nur im Kommunismus.

Großes Weihnachts-Special: Stille Nacht mit Stalin – Die DWR-Geschenktipps für die ganze verdammte Familie!

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Dead Wall Reveries steht für Bloggen mit menschlichem Antlitz. Bei uns wird Liebe großgeschrieben – zwar nur mit dem ersten Buchstaben, nicht wie KPdSU oder GULag, aber immerhin. Liebe, liebe Leser, empfinden wir in dieser besinnlichen Zeit für alle unsere Mitmenschen und Mitgeschöpfe, harte und weiche, braune und bleiche, gute und reiche, für unseren Nächsten und Übernächsten, für unsere Mitbürger und Mitstreiter, Mitspieler und Mitarbeiter, Mitwisser und Mittäter, Mitesser und Mitkläger, Mitdenker und Mitläufer, Mitversenker und Mitsäufer und vielen weiteren. Denn: es naht das Fest der Ochsen und Esel, und es gilt, aller Menschen zu gedenken, die nicht das Glück der hohen Geburt mit unserem Heiland teilen, die nicht schon an der Krippe von Weisen reich beschenkt werden, sondern des Sterns von Bethlehem, der diese dereinst leiten möge, ein langes Leben lang harren. Dieses Leben wird bedachtsam und bescheiden sein, selten sündhaft und sein Ende selig. Und dem Chef ein Wohlgefallen. Doch zuzeiten erscheint es allzu hart und mühsam, ungerecht womöglich, und es mögen Zweifel kommen, ob wir wirklich recht daran tun, was wir tun, wo es anscheinend so schlecht vergolten wird. Und wir mögen uns ängstlich oder gar zornig fragen, ob wir nicht anders hätten leben, uns anders unters Firmament hätten stellen sollen? Nicht bucklig wie ein Bauer, sondern lodernd wie eine Fackel – ja, so mag es bisweilen selbst aus den Braven sprechen.

In diesen kalten Momenten, in denen der Zorn die Nacht unserer Erdenfrist wie ein Blitz zerreißt und alles klar und gegensätzlich erscheint, in diesen schweren Stunden bedarf es lediglich – der Liebe, um uns zu besänftigen. Lediglich der Liebe, eines Lächelns, einer Umarmung, eines dreckigen Arschficks auf dem Bahnhofsklo, um uns daran zu gemahnen, was wir sind: Mitmenschen, Mitbürger und Mitarbeiter – harmlose, geile Kamuffel also, die sich nicht auf- und zusammenraffen können, das Bisschen Weltordnung umzumähen, das sie zu solchen Wichteln degradiert hat, sondern lieber verlegen in ihre Pflichtzellen zurückkehren, zu allergischen Bälgern und abgearbeiteten Mitinsassen mit Anti-Falten-Creme, Depressionen und Wurstfürzen, wenn es nur hin und wieder, nur EIN Mal alle dreißig Tage auch mal einen Fick, ein Lob, einen Lohn, ein Lächeln oder einen Blockbuster gibt! Ja, das ist die LIEBE! – Ist sie nicht zum Kotzen?!

Und für genau diese Liebe haben Herr und Chef ein Fest gemacht, ein Lohn-, Lob- und Lächelfest, zu dem alle Abgeschlafften und Angekotzten zwei freie Tage erhalten, um in Ruhe ihren Lohn für Kokolores zu verprassen, das ihnen ein Lächeln von Leuten einbringen soll, die sie sonst nicht einmal anfurzen würden, und ihnen durch allgegenwärtige Lichterketten und moralischen Budenzauber weismachen soll, dass selbst in ihrer abgeleierten Welt gerade etwas besonders Reizendes, Menschelndes und Liebevolles anstehe: Weihnachten also.

Wenn Scheiße nach Zimt duftet.

 

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Weihnachten bedeutet historisch gesehen, dass ein mittelloser Handwerker und seine Verlobte, die nach einem Seitensprung hochschwanger ist, nur mit Not der Obdachlosigkeit entkommen, um in einem kümmerlichen Heim auf ihren Plänen von familiärem Glück zu beharren und bei der Geburt ihres Sohnes überzeugt sind, trotz dieser wirtschaftlichen Katastrophe, die ein Kind nunmal bedeutet, den Beginn einer legendären Karriere mitzuerleben, die schließlich auch sie selbst unsterblich machen wird. Sie geben dem Kleinen einen exotischen Namen und bewirten ein paar ältere Herrschaften, die allerhand unnützes Zeug als Geschenke abliefern. Nur einer hat die gute Idee, Geld zu schenken statt selbstgepflückte Kräuter oder ähnlichen Schmarrn. (Diese Idee wird Schule machen.)

Das ist ganz knapp die Weihnachtsgeschichte – streng historisch, nicht theologisch. Und das reicht auch, um zu sehen, dass sich seitdem wenig geändert hat. Noch immer geht es um Illusionen und Geschenke, die sich Leute machen, denen das Kapital nicht aus dem Arsch leuchtet…

 

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Berufsrevolutionäre, klassenbewusste Proletarier und alle anderen Menschen, die nie ohne Brieföffner in der Socke ins Büro ihres Chefs treten, weil jederzeit die Revolution ausbrechen könnte, also jene aufrechten Leute, die 95,8% unserer Leserschaft ausmachen, boykottieren daher sehr zurecht das Weihnachtsfest und ziehen sich meist schon am Zweiundzwanzigsten mit einem schönen roten Band aus der Bücherei des Marxismus-Leninismus in leerstehende Ställe oder preiswerte Bordelle oder hinter stachelverdrahtete Wälle zurück, um zu fasten und studieren, während vor Verdauungsarbeit schwitzende Familienväter zusehen müssen, wie ihre missmutigen, an Pubertät erkrankten Sohnemänner die neuen BluRays, Games, Konsolen und Zombiespielzeuge aus dem Geschenkpapier reißen, die sie todsicher das Abitur kosten und so den Stammhalter ins digitale Lumpenproletariat hinabstoßen werden… (Von dort werden erst motivierende Facebookgruppen mit Namen wie Revolutionäre kriegen die geilsten Schnecken oder Fick die Welt so wie sie ist und werde krasser Kommunist! die Ärmsten wieder ans Licht führen.–)

Weil DWR zugleich ein Minderheitenblog ist, wollen wir heute auch an jene 4,2% der Leser denken, die aus Schwäche oder Zwang oder weil sie auf eine Erbschaft hoffen, den Heiligen Abend nicht boykottieren möchten und sich damit in die unangenehme Lage bringen, Leuten Geschenke zu machen, die man entweder zu selten sieht, um zu wissen, was man ihnen schenken könnte, oder zu häufig, um nicht darunter leiden zu müssen, wenn man ihnen wieder Mist geschenkt hat. Kurz: unsere folgende GROSSE KULTURREVOLUTIONÄRE DWR-GESCHENKBERATUNG wird euch Losern dabei helfen, erlesene Gaben für eure Anverwandten zu finden und zugleich euer demütigendes Geschenkemacher- und Lohnsklavendasein innerhalb der menschlichen Vorgeschichte zu verkürzen. Denn wie sagte nicht einst der zahnlose Mao: Das Geschenk eines Kommunisten ist immer ein Geschenk an die Geschichte.

 

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Für die dementen Großeltern, die gerne noch was Gedrucktes in Händen halten, aber daran gewohnt sind, dass sie nicht mehr so recht verstehen, was um sie herum abgeht, vor allem aber für narzisstische Musterschüler, dauerlabernde Prinzenkinder und klugscheißerische Geschwister, denen man die Demenz ins Hirn wünscht, empfiehlt DWR-Chefredakteur und Doktor der Scholastik Roland ‚Dee‘ Obermann:

Theodor W. Adorno: Minima Moralia.

Die Hitsammlung des bürgerlichsten deutschen Juden seit Freud und schlechtesten Komponisten vor Cage. Adorno hätte eigentlich Ladenschwengel werden sollen, entschied sich aber wegen einer unfallbedingten syntaktischen Behinderung dazu, es mit der Philosophie zu versuchen, die daher zum Großteil bei ihm aus Syntax besteht. Adorno soll seinen allabendlichen Grießpudding gewohnheitsmäßig auf dem ersten Band des Kapitals von Marx abgestellt haben, den Horkheimer bei ihm liegen ließ, was ihm in Studentenkreisen bald einen Ruf als Marxist einbrachte. In Kalifornien arbeitete Adorno eine Weile als Putzfrau von Thomas Mann, bevor er in Frankfurt Vorlesungen zur Metaphysik des ’sich‘ hielt und am plötzlichen Herztod verstarb, nachdem Ernst Bloch ihm die erste deutsche Ausgabe des Playboy gezeigt haben soll.

Ein Muss für alle, die jemanden kennen, der gerne liest und den sie hassen: Adorno zu lesen kann auch ein junges Gehirn binnen zweier Jahre frühverkalken lassen, ohne dass der Leser selbst es merkt. Effizienter als Crystal Meth! Und bei suhrkamp, dem Verblödungsgrossisten aus Frankfurt, fast genauso billig.

 

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Für sympathische junge Menschen, die ihr eigenes Leben noch vor sich hätten, wenn ihnen Mum und Dad nicht ständig reinreden würden, was sie damit gefälligst anzufangen hätten, für Schüler, die gemobbt werden, weil sie statt Hollister-T-Shirts lieber Uniformhemden der Roten Armee tragen, oder für Ehefrauen, die endlich mit dem kubanischen Masseur mit dem 20-Zentimeter-Kolben durchbrennen wollen statt die Domina für ihren Eberhard zu mimen, der, seit er Vizechef geworden ist, nur noch einen hochkriegt, wenn man ihn mit „Du kleine Drecksau hast wohl wieder ins Bett gepinkelt!?“ anbrüllt, die aber auch nicht auf die Lebensversicherung verzichten wollen, mit der man auf Kuba eine zehnköpfige Familie ernähren könnte, empfiehlt DWR-Sexpertin Frauke-Wilna Flickenschildt:

Wolfgang Dekant, Spiros Vamvakas: Toxikologie. Eine Einführung für Chemiker, Biologen und Pharmazeuten.

Ein Buch, bei dem man ins Träumen gerät. Doch, wie bei allen guten Büchern, die Revolutionäre lesen, geht hier das Träumen leicht ins Planen über. Auf das nächste Plansoll kann man gern mit seinem Göttergatten wieder ‚mal ein Sektchen leeren: „Heute mit Aphrodisiakum, mein Engel.“ „Hmmm…..“

 

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Sie waren jung und hatten kein Geld, um sich sterilisieren zu lassen, und da ist es passiert? Seitdem haben sie Kinder und wissen nicht, wohin mit denen? Glauben Sie uns, mit diesem Problem sind sie nicht allein. Wichtig ist, wie bei jeder Therapie, dass Sie zu dem Problem stehen und sich nicht weiter vorlügen, Sie hätten sich nie etwas sehnlicher gewünscht als den ganzen Tag idiotische Fragen zu beantworten („Warum hast du lange Haare und Mama nicht?“, „Warum hat Papa kein Auto wie der Papa von Katharina-Désiré-Luise?“, „Ist Hansi jetzt im Himmel?“) oder sich jede Woche über neue Berufspläne aufzuregen („Reggae-DJ in Berlin“, „Schauspielerin oder Archäologin“, „der erste rheinland-pfälzische Gangsterrapper“, „Pro-Youtuber“). Nein, was Sie dabei empfinden, ist keine elterliche Liebe! Also, lösen Sie die Probleme!

Kinder lieben das Abenteuer und kriechen gerne in abgelegene Schlupfwinkel. Tun Sie ihnen den Gefallen und bauen sie den lieben Kleinen einen eigenen Atomschutzbunker. Für pubertierende Suchtzocker können Sie diesen jederzeit als Hobbyraum einrichten lassen und mit neuen DVD’s eine Spur legen… DWR-Verseschmied und vierfacher Vater aus Versehen Brinus vom Schrock empfiehlt daher die Firma:

http://www.sturmhaus.com/de/

Ihr Partner für Räume, die vor radioaktiver Strahlung, brutalen Überfällen und anderen Unannehmlichkeiten schützen. Absolut ein- und ausbruchsicher. Das Päservativ für die Zeit nach der Geburt!

 

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Sie sind müde? Sie sind frustriert? Sie sind ein Mann? Sie haben längst erkannt, in welche Richtung die Welt sich dreht, nämlich in die falsche? Nur Sie und ein paar wackere Kollegen laufen noch in die richtige Richtung, während Ihr Chef, Ihre Frau, Ihre Kinder und sogar die Kanzlerin eine Scheiße nach der anderen bauen und dafür auch noch von einem lächerlich korrupten System beschützt und belohnt werden? Und Sie wissen: noch zwei, drei Jahre und Deutschland ist nicht mehr zu retten? Sie wissen es, weil sie es jeden Tag beobachten können? Deutschland und Europa, so ähnlich wie Sie selber, werden nur noch verarscht, ausgenommen und gedemütigt? Und das, obwohl Sie doch alles getan haben, was man von ihnen verlangt hat – und immer noch tun? Arbeiten Sie etwa nicht hart genug? Bezahlen Sie Ihre Rechnungen nicht pünktlich? Und ein Verbrechen haben Sie auch noch nie begangen? Das würden Sie nie tun? Nicht einmal einen Seitensprung? Sogar zu Ihrem Hund sind Sie nett? UND TROTZDEM BRINGT DAS ALLES EINFACH NICHTS UND SIE WÜSSTEN MAL GERNE, WIESO EIGENTLICH NICHT, VERDAMMT NOCHMAL???!

Dann gönnen Sie sich endlich etwas Lust und Lebenssinn! Bestellen Sie noch heute Ihr TROST-PAKET FÜR DEN GANZ NORMALEN DEUTSCHEN ARBEITNEHMER und freuen Sie sich auf:

 

1 Deutschlandflagge

1 Einstimm-CD „Patriotische Psalmen“, interpretiert von Xavier Naidoo, Heinz Rudolf Kunze, Helene Fischer, Sido, Bushido, Campino und Kevin Russell (im Duett)

1 Buchpaket mit den Titeln: „Wie die Politiker Deutschland ruinieren“, „Warum die Deutschen aussterben“, „Wie Börsenhaie uns abzocken“, „Nieten in Nadelstreifen“ und „Wie der Islam Europa unterwandert“

4 Autogrammkarten von Lutz Bachmann (PEGIDA-Gründer) Helmut Schmidt (Alt-Kanzler und Geist der Nation), Hans-Olaf Henkel (Demenzbeauftragter der AfD), Matthias Matussek (Journalist und Sünder)

1 Sixpack Münchner Hell

1 Monatsabo der BILD

1 Aufkleber ‚Nie wieder Lügenpresse!‘ für den Briefkasten

1 Button mit Gartenzwerg, der an ein Minarett pinkelt

 

Sie würden zwar alle Fragen oben mit „Jawoll!“ beantworten, fühlen sich aber von Leuten wie Lutz Bachmann oder Matthias Matussek abgestoßen? Kurz: Sie sind ein Linker? Da brauchen Sie sich gar nicht zu schämen. Denn für Linke haben wir das TROST-PAKET FÜR GANZ NORMALE LINKE ARBEITNEHMER im Angebot, natürlich mit wesentlichen Änderungen am Inhalt:

! Statt BILD erhalten Sie das ‚Neue Deutschland‘.

! Statt der Autogrammkarten von Herrn Bachmann und Herrn Henkel erhalten Sie Autogrammkarten von Sarah Wagenknecht (nationale Sozialistin) und Cem Özdemir (offizieller Quotentürke des Deutschen Bundestages).

Immer noch nicht zufrieden? Sie finden Recht und Linke beide scheiße? Sie finden sogar Deutschland scheiße? Das dachten wir uns schon. Wie wäre es mit dem TROST-PAKET FÜR GANZ NORMALE KLUGSCHEISSER? Dieses Paket ist leider etwas schlechter gefüllt und enthält nur die folgenden Gimmicks:

 

1 US-Flagge

1 CD „Best of Klezmer“

1 Buchpaket mit den Titeln „Wie die Politiker Deutschland ruinieren“, „Warum die Deutschen aussterben sollten“, „Wie werde ich Börsenhai?“ und „Wie der Islam Europa unterwandert“

2 Autogrammkarten von Henryk M. Broder (Verständniskritiker) und Martin Sonneborn (Anti-Politiker)

1 Flasche Beaujolais

1 Jahresabo der KONKRET

1 Aufkleber ‚Nie wieder Deutschland!‘

1 Button mit Gartenzwerg, der an einen anderen Gartenzwerg pinkelt

 

Die genannten Artikel bestellen Sie gefälligst bei Ebay und schenken Sie sich selber.

Viel Spaß damit & frohes Fest!

 

Lied vom Revolutionär

Schlagwörter

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1

 

am frühen frühen morgen

steht der revolutionär nicht auf.

am frühen morgen

auch nicht.

 

am spätmorgen

wendet sich

ein ahornblatt im herbst:

der revolutionär.

 

wer sein kapital vermehren will

soll das selbst tun,

sagt er

 

ich habe kein kapital

also schlafe ich

 

so ist es nicht

doch soll es sein

noch lebt der revolutionär als schwein

noch ist nicht jeder schwein genug

zehntausend schweine stoppen den zug

 

 

2

 

am mittag lümmelt der revolutionär

am fenster die tätigen menschen

bedenkend

 

vorm gesetz sind sie frei

wozu?

 

sie freuen sich arbeiten zu dürfen

weil ihnen außer dem dürfen

nichts bleibt

 

sie freut das geld das sie verdienen

weil sie keins haben

 

ihre arbeit ist wertvoll

für andere

 

ihr leben vergeht rasch

 

viele wissen nicht mehr

warum sie es überhaupt

haben und leiden

am ’sinn‘

 

zum denken kommen sie erst nachts

im traum

 

traurig, denkt der revolutionär

nun nicht – !sondern wirft flugblätter

aus dem fenster

unter die werktätigen,

bis die büros und baustellen

davon verdeckt, straßen und flure

davon verstopft und jeder

arbeitsfortgang

ohne lektüre

und erkenntnis

genauso unmöglich wird

wie mit!

 

so ist es nicht

doch soll es sein

noch lebt der revolutionär als schwein

noch ist nicht jeder schwein genug

zehntausend schweine stoppen den zug

 

 

3

 

in der abendröte reitet der revolutionär

auf einem rostigen esel zum frühstück

mit anderen revolutionären

und bespricht den tag:

 

vielleicht noch 1 zeitung gründen

1 großen saal anmieten

2 agitationsreihen vorbereiten

3 streiks unterstützen

5 fabriken besetzen

16 neue genossen anwerben

17 artikel redigieren

200 bücher nachbestellen

2 000 broschüren verteilen

12 000 neue drucken

1 geldtransport entführen

 

so ist es nicht

doch soll es sein

noch lebt der revolutionär als schwein

noch ist nicht jeder schwein genug

zehntausend schweine stoppen den zug

 

 

4

 

nach getanem kampf gegen die arbeit

zieht sich der revolutionär

zum vögeln zurück

 

er macht ein feuer in den wäldern

aus müll und stahl

 

er berauscht sich an feinen gewächsen

und schwerem gebräu

 

besudelt die finsternisse der welt

mit seinem lachen: wie einer der

kalk an eine schwarze wand wirft

mit löffeln

 

oder ertüchtigt seinen

schwelgerischen geist in den

sieben revolutionären künsten:

 

logik

arithmetik

dialektik

ökonomiekritik

geschichte

rhetorik und

melancholie

 

so ist es nicht

doch soll es sein

noch lebt der revolutionär als schwein

noch ist nicht jeder schwein genug

zehntausend schweine stoppen den zug

 

 

5

 

und wenn die nacht am horizont

ihre rötlichen hundeaugen öffnet

schlägt die stunde des schönen

und der revolutionär ein buch

auf und liest laut

in die luft

 

waldstille bächlein

gotische teufel

preußische prinzen

griechenlands götter

trunkene iren

schlüpfrige lieder

stumme dialoge und

 

gedichte von männern die

70 jahre dichterisch dampften

und nur 7 seiten vernunft

destilliert haben

 

hier sieht der revolutionär

die bürgerliche gesellschaft

im kostüm ihrer selbstanbetung

 

ihr zerstörungswirken

versteckt

unter jahrhundertwerken

wie kadaver unter dem mist

 

genosse kritiker hotte rechnet vor

die einzige kritik, deren

bürgerliche kunst würdig ist:

 

1 von 100 schreibern gedruckt

1 von 100 gedruckten bekannt

1 von 100 bekannten berühmt

1 von 100 berühmten vernünftig

 

aber, lallt genosse oscar, man

muss nicht immer tun und lesen

was vernünftig ist. vernunft heißt

vielmehr: ihre grenzen

kennen

 

(und damit hat er

nun auch wieder recht)

 

so ist es nicht

doch soll es sein

noch lebt der revolutionär als schwein

noch ist nicht jeder schwein genug

zehntausend schweine stoppen den zug

 

 

6

 

eintausendundeinen morgen später

erhebt sich, mit dem morgenrot:

der revolutionär

 

und hört durch den äther

und sieht aus dem fenster

ein ungeordnetes heer – –

 

und ungewaschen schließt er sich an

und ungehindert geht es voran

denn in diesem land wie im land nebenan

ist kaum noch einer mehr

kein revolutionär!

 

nur einige kleinliche geifrige reiche

die wollen ‚ihr eignes‘ nicht teilen

die wollen noch eher beschießen

die leute die’s ihnen schufen und ließen

 

und man sperrt sie nicht ein

und man lässt sie allein

im wasser mit gold an den seilen –

 

So ist es nicht,

doch so soll es sein!

noch lebt der revolutionär als schwein

noch ist nicht jeder schwein genug

und zehntausend schweine

und elftausend schweine

und zwölftausend schweine

sind noch lange nicht schweine genug

 

 

Kindergeburtstag mit Freddy Quinn. Ein Nachwuchsökonom erklärt Blockupy

 

Leider macht es oft am meisten Spaß, Erwiderungen auf Texte zu schreiben, die solcher überhaupt nicht bedürfen. Wie ein Furz in der Konferenz rufen sie bei jedem sensiblen Rezipienten das gleiche Urteil hervor, ohne dass man sich darüber auszutauschen hätte. Sie sind sozusagen die Prämisse eines Standardschlusses, das Negativ ihrer Widerlegung. Ein solcher Glücksfall von Text ist der kleine Artikel eines hoffnungsvollen Jungökonomen mit russischem Migrationshintergrund, der kürzlich im Onlineangebot der WELT erschienen ist.

Meine Eltern hatten 200 D-Mark in der Tasche, als wir nach Deutschland kamen. Nach einer Nacht im erstbesten Hotel waren die weg. Dann kamen Sozialhilfe, Kleidung und Spielsachen vom Roten Kreuz, Spenden und sehr viel harte Arbeit.

So beginnt das Textchen und setzt damit eine erste Ideologiemarke: es gibt zwei Arten von armen Schweinen – die einen arbeiten hart, die anderen bleiben arm. Also ist jeder, der arm bleibt, nicht nur ein armes, sondern vor allem ein faules Schwein.

In den Urlaub fahren stand nicht zur Debatte, neue Möbel gab es nicht, an Restaurantbesuche wurde nicht einmal gedacht

schreibt der telepathisch begabte Junge. Aber…

Aber wir waren zufrieden, sehr sogar. Immerhin hatte ein Land uns aufgenommen, in dem die Supermarktregale gefüllt waren, die Züge fuhren und die Straßen sauber waren. Mehr noch, meine Eltern bekamen die Chance, für ihr Geld zu arbeiten und ihr Leben in die eigenen Hände zu nehmen.

‚Immerhin!‘ sagt der Taubstumme zum Tauben. Immerhin Fototapete im Folterkeller. Mit Trotteln, die ‚immerhin!‚ sagen, ist der Weg zur Hölle gepflastert. Die Tatsachen, dass irgendwo Supermarktregale gefüllt sind und Züge fahren, geben nicht den geringsten Grund zur Hoffnung, dass die Menschen dort zufrieden sein müssten – zumal die „Chance“, für Geld zu arbeiten, impliziert, dass man sein Leben eben nicht „in die eigenen Hände“ nehmen kann, da man das Geld ja nicht sich selbst ausbezahlt.

Aber die Marschrichtung (Denkrichtung möchte ich’s nicht nennen) des Autors ist klar. Die moralische arme Sau ist dankbar, dass man sie nicht absticht, statt sich zu beklagen, dass sie arm ist. Deshalb und nur deshalb steht Moral so hoch im Kurs bei allen denen, die nicht hoch im Kurs stehen: mit Moral kann man sich denen, die keine haben, weil sie keine brauchen, zum Benutztwerden anempfehlen. Moral und Tugend, also alles zwischen Bescheidenheit und Gewaltfreiheit bis zum Respekt vor Traditionen, ist in der Gesellschaft, in der wir leben, die wertlose Aufwertung der Anpassung, ein joviales Schulterklopfen der Herrschaft für den zahmen Knecht. Und damit natürlich auch der Stoff, aus dem bürgerliche Zeitungen sind:

Die Selbstverständlichkeit, mit der man sich auf der Straße höflich grüßte, zur Arbeit ging, in Supermärkten die Auswahl zwischen zwanzig Sorten Joghurt hatte [sic], bei Notfällen auf die Polizei zählen konnte und der Notarzt innerhalb von zehn Minuten kam – all das ist der Luxus, an den sich Deutschland längst gewöhnt hat

Es ist mir persönlich zwar scheißegal, aber um der Wahrheit willen muss ich doch erwähnen, dass es durchaus Straßen in diesem Land geben soll, auf denen der höfliche Gruß nicht die Regel darstellt. Und auch zur Arbeit, höre ich, geht nicht jeder an Luxus gewöhnte deutsche Bürger; tut er’s doch, fehlt ihm zum Luxus wohl noch ein Monatslohn… Korrekt ist aber in der Tat, dass man in den deutschen Grenzen seit 1990 eine Joghurtauswahl hat, um welche Dänen, Niederländer, Belgier, Luxemburger, Franzosen, Schweizer, Österreicher, Tschechen, Polen, Briten, Iren, Italiener, Schweden, Spanier, Ungarn, Norweger, Kroaten, Amerikaner, Kanadier, Australier, Argentinier, Portugiesen, Griechen, Neuseeländer, Chinesen, Algerier, Russen, Japaner, Mexikaner, Chilenen, Ägypter, Koreaner, Südafrikaner, Saudis, Indonesier, Georgier, Inder und Slowaken uns tatsächlich beneiden dürften. Sagte nicht ein großer Deutscher einst: am deutschen Joghurtwesen soll die Welt genesen? Aber, werden die neidischen Welschen vielleicht sagen, zwanzig Sorten im Regal heißen noch lange nicht, dass jeder Deutsche auch zwanzig Sorten im Kühlschrank hat. Schließlich muss er sie erst kaufen. Und dazu braucht er – wie war das nochmal im VWL-Seminar? – richtig: Geld. Aber das ist ja wieder ein ganz anderes Thema, worüber unser begeisterter Jungdeutscher gar nicht sprechen will…

Immerhin (!) kann man als vietnamesischer Flüchtling, der aus einem brennenden Asylantenheim herausschreit, darauf zählen, dass die deutsche Polizei ruckzuck den grölenden Mob einkesselt und abtransportiert, der das Heim aus lauter Freude über seine zwanzig Joghurtsorten in Brand gesetzt hat. Und wenn man sich doch mal Verbrennungen dritten Grades einfängt oder mit einem Joghurt essenden Deutschen, der gerade auf dem Weg zur Arbeit ist, um sein Leben in die eigenen Hände zu nehmen, derart ungünstig aneinandergeraten ist, dass man stark blutend auf dem Bürgersteig verbleibt, dann kann man sich darauf freuen, dass binnen zehn Minuten ein supernetter Notarzt kommt – jedenfalls wenn einer der freundlich grüßenden Passanten ihn vorher gerufen hat.

Das ist der Luxus, der Deutschland (oder Dänemark oder die Niederlande oder Belgien oder …) heißt, und wer sich an den gewöhnt, statt täglich neu dafür zu danken, ist ein Rüpel. Mindestens:

Jetzt haben sie [die Eltern des Autors] ein Haus, ein Auto, fahren in den Urlaub, ihre Kinder machen das Abitur und studieren. Während irgendwelche gutbürgerlichen „Aktivisten“ nach Frankfurt fahren und die halbe Stadt in Brand setzen, um für Gerechtigkeit zu demonstrieren.

Es ist gerade sehr trendy bei bürgerlichen Interpreten, die statistisch nicht erfassten Teilnehmer der „Blockupy-Krawalle“ (Bild) als „gutbürgerlich“, „Bürgerkinder“ oder „gelangweilte Bürgersöhne“ (die Töchter spielen wohl Geige und langweilen sich nicht) zu titulieren, wohl weil der Bürger denkt, dass der antikapitalistische Unternehmerssohn sich böse ertappt fühlt, wenn jemand merkt, dass er sich gar nicht aus dem Lumpentum emporrandaliert hat, sondern nur deshalb Zeit zum Nachdenken hatte, weil er nicht am Fließband stehen musste. Wollten die Kritiker etwa ausdrücken, dass sie randalierenden Fließbandarbeitern eher zuhören würden, weil deren Wut authentischer wäre? Oder was sonst kann es bedeuten, wenn Bürger vermeintlichen Bürgern ihr Bürgertum vorwerfen?

Insbesondere bedeutet das, dass die Interpretationselite der Marktwirtschaft sich selbst und ihre Klientel beruhigen möchte. Jeder neue Aufruhr in einer dichter werdenden Reihe von sozialen Unruhen in Europa wird reflexhaft als politisch irrelevant eingestuft, entweder weil den Akteuren jedes politische Motiv abgesprochen wird oder weil sie als Gruppe ohnehin marginalisiert seien. „Es gibt kein revolutionäres Subjekt mehr“, beginnt der Blockupy-Kommentar des stellvertretenden WELT-Chefredakteurs. ‚Es wird keine Revolution geben, da es niemanden gibt, der eine Revolution trägt. Die Leute wollen keine Revolution.‘ Das will er sagen. Und diesen Befund möchte man stützen, indem man diejenigen, die vielleicht doch eine wollen (und von deren Zahmheit der WELT-Redakteur nichts weiß, da er den Schwarzen Block und Blockupy für bedrohlich hält), wenigstens sprachlich von der Mehrheit scheidet und unbesehen als „Kriminelle“, „randalierender Mob“ oder eben „Bürgersöhne“ einer Minderheit zuschlägt, von der die Funktionsträger des Kapitalsmus nichts zu befürchten haben. Der Bevölkerungsmehrheit wiederum signalisiert man damit, dass es sich bei den „Aktivisten“ lediglich um lichtscheues Gesindel, um eine ganz unzuverlässige Mischpoke handele, wenn es darum geht, einen Fußball- oder Exportweltmeisterstaat zu schmieden. Implizit geben sie zwar damit zu, dass die meisten Söhne dieses Landes keine „Bürgersöhne“ sind und trotz harter Arbeit nicht ihren angestammten „Platz im Establishment einzunehmen“ imstande sein werden. Dennoch ist damit die Frage, was politisch oder ökonomisch zu verändern wäre, damit es nicht mehr zu solchen Unruhen käme, nicht nur vom Tisch, sondern gar nicht erst auf den Tisch gekommen: man braucht einfach mehr Polizei. Unser Jungökonom dazu:

Es sind Zöglinge einer Wohlstandsgesellschaft, die nichts zu deren Erfolg beigetragen haben. Die eine kostenlose Bildung, saubere Straßen, eine funktionierende Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung vorgefunden und genossen haben, ohne sie jemals wertgeschätzt zu haben. Es sind Menschen, die selbst nicht in der Lage wären, das aufzubauen, was sie mutwillig zerstören.

Der klingt ganz, als sei er selbst dabei gewesen und habe sich wochenlang die Lebensbeichten der Krawallmacher angehört. Trotzdem bringt er nur Argumente von Bauklötzchenformat zustande: junge Leute sollen erstmal was aufbauen, bevor sie was kaputtmachen. Als ob man sie dann wirklich kaputtmachen ließe was sie selbst aufgebaut haben, den in Bad Cannstatt zusammengeschraubten Neuwagen zum Beispiel. Außerdem, sagt er, sollte man saubere Straßen auch wertschätzen – und nicht nur genießen. Ein interessanter Aspekt, den man nutzbringend in den mündlichen Teil des Einbürgerungstests aufnehmen könnte:

  • Haben Sie bei uns in Deutschland saubere Straßen vorgefunden?
  • Oh ja. Wunderbare Straßen.
  • Schön. Und genießen Sie unsere sauberen Straßen?
  • Genießen?
  • Ganz recht. Genießen Sie sie?
  • Ähm. Ich denke schon. Ja.
  • Gut. Sehr gut. Aber wertschätzen Sie unsere Straßen auch? usw.

Eine „funktionierende Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung“ finden heute noch ausschließlich Ökonomen vor. Und auch nur, weil sie jahrelang im Finden solch leicht übersehbarer wirtschaftlicher Zusammenhänge ausgebildet worden sind. Ökonomische Laien wie Rentner, Arbeitslose, Armutsgefährdete, 70 % der Arbeitnehmer und 60 % der gesamten Bevölkerung, die glauben, dass die Wähler gar nicht wirklich das Sagen in Deutschland hätten, können die subtilen Beweise für die beste aller Welten einfach nicht wertschätzen – und oft nicht einmal genießen…

Aus Benennungen wie „gutbürgerlich“ oder „dumme Zöglinge einer Wohlstandsgesellschaft“ spricht übrigens auch der konkurrenzgequälte Widerwille gegen die Bessergestellten, die weniger oder sogar überhaupt nicht fleißig sein mussten, um in dieser funktionierenden Gesellschaftsordnung durchzukommen. Aber der sei dem Autor verziehen. Auf die Dauer muss es enorm frustrierend sein, als Karrieremigrant auf dem Weg zur Traumhochzeit mit einer blonden Zahnärztin das geforderte Normalmaß an Heuchelei auch noch überbieten zu müssen.

Er macht sich trotzdem nicht schlecht dabei:

Demonstrationen dienen der freien Meinungsäußerung. Doch was wir in Frankfurt gesehen haben, war das komplette Unverständnis für unsere Gesellschaftsordnung. Die Ablehnung von Arbeit, Eigentum und Leistung. Indem die Vandalen unsere Polizei angriffen, unsere Fahrzeuge anzündeten und unsere Straßen und Häuser beschädigten, unsere Freiheit beschränkten, negierten sie alles, wofür wir arbeiten.

Zwei Mal „wir“, und fünf Mal „unser“. Wen meint der Russe?

Wir, das sind wir Unternehmer, wir Journalisten, wir Studenten und wir Arbeiter. Wir, die wir versuchen, eine gesellschaftliche Ordnung aufzubauen, die auf Diskurs statt auf Gewalt beruht.

So viele Wirs erinnern mich an Freddy Quinn (der übrigens auch Migrant war) und seinen gleichnamigen Hit aus den Sechzigern, mit dem der WELT-Artikel viel gemeinsam hat (was kein gutes Licht auf den Artikel, die WELT und den historischen Augenblick wirft, in dem „wir“ uns gerade befinden). Bezeichnend ist, dass jemand, der in Russland geboren ist, so gerne „wir“ sagt, wenn er in einer deutschen Zeitung über seine gelungene Deutschwerdung schreibt. Die ganze Gesprächssituation erinnert an einen Kindergeburtstag bei der gesitteten Kleinfamilie, zu dem diverse Schulfreunde eingeladen sind. Während der eigene verzogene Sohn nebst anderen Bürgerssöhnchen im Wettrülpsen bei Tisch brilliert, lechzt das vernachlässigte Migrantenkind mit frühreifer Zurückhaltung nach der Anerkennung der fremden Eltern. „Der Filipp ist ja so ein netter Junge“, heißt es dann später gerechterweise. So einfach ist das. Warum also „für Gerechtigkeit demonstrieren“? Gerechtigkeit durch Anpassung heißt die Devise. Und wer sich nicht anpasst ist selber schuld.

Ist man dem Kindergeburtstag entwachsen, bieten sich immer weitere Autoritäten zur Darmerkundung an: am besten kriecht man dem Chef in den Arsch. Der mag das. Wenn man, wie unser Autor, noch studiert, kann man auch dem ganzen deutschen Staat in den Arsch kriechen, indem man sich ihm in der WELT als Musteruntertan empfiehlt. Das wäre die abstrakte Variante: Deutschland als eine Art ideelles Arschlochsurrogat. Dem provinziellen Misstrauen, das man nicht nur in Deutschland, sondern in nahezu jeder europäischen Nation nahezu jedem Migranten entgegenbringt, tritt der integrationsgeile Einwanderer respektive Rektalimmigrant nie durch Vernunft, eigennützige Schläue, Selbstorganisation oder einen (manchmal leider nur gefälschten) Mittelfinger entgegen, sondern durch übersteigertes Imitieren landesüblicher Neurosen und Hyperventilieren staatstreuer Bekenntnisfloskeln. (Und bevor man mir nun unterstellt, ich würde mit djihadistischen Parallelgesellschaften liebäugeln, souffliere ich den weniger Abstraktionstüchtigen beziehungsweise Antideutschen unter meinen Lesern: dass es bequem denkbar ist, als Migrant weder ein Djihadist noch ein Arschkriecher zu sein.) Freddy Quinn kann nachgerade als Urahn bundesrepublikanischer Rektalimmigration gelten und unser WELT-Ökonom als sein Enkel.

Zum Inhalt der zitierten Sätze ist wenig zu sagen was nicht schon gesagt wäre. Dass man in der Politik inzwischen nur noch dann „wir“ sagt, wenn man es besser weiß oder ein Nazi ist, hat sich herumgesprochen. Chefs sagen gerne „wir“, wenn sie mit ihrem Humankapital reden. Oder Präsidenten, wenn sie „unser“ Land „ein gutes Land“ nennen, damit keiner auf die Idee kommt, es ginge ihm schlecht. Im großen phantastischen Wir gibt es nichts, was nicht rein diskursiv verhandelbar wäre: man kann über alles reden. Aber man kann nicht alle überzeugen. Polizisten nicht, Soldaten nicht, Kapitalisten nicht: für die sind die öffentliche Ordnung, der Befehl oder der Mehrwert gänzlich unverhandelbar. Und damit müssen ‚wir‘ uns abfinden. Sonst sind ‚wir‘ Diskursfeinde. Wer darauf beharrt, dass seine Meinung wahrer sei als eine andere, ist ein Gegner der freien Meinungsäußerung. Diese Grenze ist gewissermaßen diskursextern. Auch was verhandelbar ist ist es oft nur scheinbar: Gehälter zum Beispiel vor allem nach unten. Entscheidet man sich etwa im demokratischen Diskurs für die doch gar nicht abwegige Position, dass es klasse wäre, wenn ein paar ausgebrannte Alleinerziehende einmal einen zwanzigfach erhöhten Lohn erhalten sollten, um sich damit ein Jahr zu erholen – also selbst schon eine billige sozial-demokratische Anbiederung – wird man erleben, wie offen die bürgerliche Diskurswelt und wie permeabel die angrenzende demokratische Realität dafür ist. Dass die „gutbürgerlichen“ „Vandalen“ „alles“ „negierten“ „wofür wir arbeiten“, was auf Einzelne in Frankfurt sogar zutreffen könnte, wäre da doch endlich eine gute Nachricht. Das wird man ja wohl noch negieren dürfen im Diskurs!

Nein, darf man nicht. „Die Ablehnung von Arbeit, Eigentum und Leistung“ gehört ebenso in die Diskursquarantäne wie jenes finstere Hirngespenst, das noch immer in manchen Vandalenköpfen umgeht – der Kommunismus. Denn:

Meine Eltern, die in der Sowjetunion geboren wurden und dort aufwuchsen […] kommen aus einem Land, das sich dem Antifaschismus verschrieben hatte und das seine Bürger maßregelte, unterdrückte und sie in ihrer Freiheit einschränkte wie kein anderes. Das war und ist Kommunismus.

Treffen sich zwei Staatsmänner und reden über Freiheit. Sagt der eine: „Ich höre, es sieht schlimm in eurem Land aus. Viele Menschen sitzen jahrelang in Gefängnissen oder werden gefoltert.“ „Ja, das stimmt“, erwidert der andere, „alle Verbrecher haben wir eingesperrt, damit das Volk in Ruhe leben kann. Ich höre aber, dass es bei euch viel finsterer zugeht. Ihr hört Millionen von unbescholtenen Bürgern ab und überwacht sie und bringt täglich Menschen ohne Gerichtsverhandlung um.“ „Das könnte sein“, antwortet der erste darauf, „aber das sind alles Terroristen. Wir sorgen nur für die Sicherheit der Unschuldigen.“

Es stimmt, dass die Sowjetunion ein Land war, in dem auch nicht mehr Menschen ihre Individualität entwickeln und genießen konnten als in der westlichen Demokratie, was nun einmal das Programm des Kommunismus bleibt. Den sehr richtigen Hinweis, dass die Sowjetunion nicht der Kommunismus „war und ist“, den schenken wir an dieser Stelle all jenen, die sich von der bürgerlichen Demokratie Selbstbestimmung und Genuss erhoffen… Denn eine Herrschaftsform, die bei den Beherrschten nicht einmal die alleruntersten Stufen der Bedürfnishierarchie wie Nahrung, Wohnen, Wärme, Schlaf, Sicherheit und soziale Akzeptanz abzudecken vermag, von der sollte man kaum erwarten, dass sie dafür garantiert, dass man ein gutes Leben hat. Stattdessen fördert und verlangt sie einfach von Staats, Schule und Medien wegen all jene Illusionen, die sich gerade auch Migranten über ihre Chancen auf Erfolg und Zufriedenheit machen. Die beliebteste und falscheste dieser Illusionen lautet etwa: wer fleißig und brav ist, der bekommt, was er will.

Das ist fast immer falsch.

Richtig ist dagegen genauso oft: wer fleißig und brav ist, der bekommt, was er verdient. –

Wie heißt es doch auf Evangelischen Kirchentagen immer so schön:

Danke für meine Arbeitsstelle. Danke für jedes kleine Glück.

 

Neujahrsmorgenjogger

 

1

Nur schwach verwandt mit Mod und Rocker

zieht seine Bahn der Neujahrsmorgenjogger.

Noch riecht die Stadt nach Pulverrauch,

nach halbverdauten Speisen auch,

noch decken Trümmer Bürgersteige,

Scherben, Brillen, Körperteile –

da naht in grünen Neontights

ein munt’rer Jogger doch bereits.

 

Indes der Mitmensch krampft und siecht,

grunzend über Kacheln kriecht,

auf die zuvor, vom Rausch umnachtet,

er selberst sich hat hingeschlachtet –

hüpft durch die Dämm’rung, eins, zwei, drei,

ein Jogger zum WC herbei,

setzt über mancherlei Kadaver,

tollkühn durch saures Sodgewaber,

 

und harret, stetig weiter hüpfend,

den Harnschlauch überm Becken lüpfend,

bis, gar nicht immer zielgenau,

der Vitaminsaftrestestau

gelöst: mit einem leichten Gruß

tänzelt er auf leichtem Fuß

aus der nekrotischen Baracke

zipp! schließt sich seine Windbreak-Reflektoren-Jacke.

 

 

2

Du, froher Früher-Vogel-Mann,

zu selten ehrt man deinesgleichen;

ist doch der zeitig aufstehn kann

der Mann an Deutschlands Zukunftsweichen!

 

Prinzipien sind dir wichtiger

als Körperfreuden, Witz und Rausch,

Sichquälen scheint dir richtiger

als Hirnsynapsenaufgebausch.

 

Wir sind ja Menschen, keine Tiere,

Und Menschen liegen nicht herum!

Wir haben Zahlen, Schlipse und Visiere

in unserm Bestiarium.

 

Das Leben ist ein Hamsterrad,

das hast du früh erkannt:

als Kind schon warst du groß in Fahrt

und hast dich nie verrannt.

 

Laufen, Laufen ist dein Ziel,

von einem Ziel zum andern

(das Ziel gilt dabei nicht mehr viel),

nur schnell – und nicht mäandern!

 

Als Coach, Consultant, Chief Controller

geliebt von jeder Gattin Mutter;

dem faulen Wurm zwar ist erst wohler –

doch früh ist er dein Futter.

 

Du blinkend-flinker Neujahrsläufer!

Du Falk im Frühlicht dieses Jahrs!

O achte nicht der mürben Säufer,

am Zebrastreif unaufgebahrt!

 

Zerrenn, zerstürm, zerstäube die,

so dich heut scheel beäugen!

Sei du der Schinder, sie das Vieh,

und alle Geier Zeugen!

 

Dir, Flügelknabe, Ampelhermes,

singe ich mein Lied:

dir Perle eines göttlichen Gedärmes,

in der man diese Welt gespiegelt sieht,

 

dir, Stadtparkheros, Schützling der Athene,

von Notebookglorien Besonntem,

geschnellt von eines starken Vorstands Sehne

als Pfeil zu neuen Leistungshorizonten!

 

Was wäre Dichten – ohne dich?

Ein lange weilendes Gelage.

So stemmt Apoll vom Lager sich,

damit er eine Laus erjage.

 

 

Großer Diktatoren-Gehalts-Check! Verdiene ich mehr als Honecker?

 

Dass Kommunisten in Wahrheit arbeitsscheue, geldgierige Schlingel seien, die sich den Kommunismus nur ausgedacht hätten, um ihre kriminellen Machenschaften zu kaschieren und ehrliche Leute abzuzocken, während der freie Unternehmer tagtäglich nur seine selbstlose Liebe zum Lohnarbeiter ausagiert, weiß jeder schwäbische Mittelständler. Bettler, weiß man in ähnlichen Kreisen, haben auch alle ihren Mercedes um die Ecke geparkt, und Zigeuner leben nur in alten Wohnwagen, um zu verbergen, wie unfassbar reich sie durch das Klauen von Wäsche und den Handel mit Sperrmüll in Rumänien geworden sind.

Trotzdem will bizarrerweise keiner dieser Durchblicker ein Zigeuner, Bettler oder Kommunist sein…

In einem heutigen Artikel des Titels „Deutschland will Honeckers Schatz heben“ kolportiert das „Handelsblatt“ einmal mehr, was für ein Absahner Erich H. aus der DDR gewesen sei. Der Text beginnt mit dem Satz:

Während der eigene Staat langsam aber sicher der Pleite entgegen taumelte, hortete die SED-Führung ein Millionenvermögen im Ausland.

Wäre es nur so gewesen, dass man der SED-Führung diese Staatsverachtung hätte nachsagen können, es hätte die mißratene DDR nie gegeben! Im übrigen verwundert dieser moralische Ton seitens eben dieser Zeitung: wie viele Leser des „Handelsblatts“ würden wohl ihr Vermögen opfern, wenn „der eigene Staat“ der Pleite „entgegen taumelt“? Von griechischen Reedern, die all ihr Geld opferten, um „den eigenen Staat“ zu retten, ist vielleicht einfach zu selten berichtet worden.

Über dem Artikel ist ein Bild des abgeklärten Generalsekretärs zu sehen, in an lateinamerikanische (sozialistische?) Großgrundbesitzer gemahnender weißer Sommerkleidung mit Strohhut und vor Meereskulisse (Ostsee?). Bildunterschrift:

Die SED-Führung rund um Erich Honecker hortete ein Milliardenvermögen im Ausland.

Milliardenvermögen? War es nicht eben noch ein Millionenvermögen? Beim „Handelsblatt“ rechnet man wohl nach Aktienhändler-Art: die Nullen, die zählen, sind die vor dem Bildschirm, nicht die auf dem Bildschirm!

Um dem Zweifel die Ehre zu geben, beantworten wir hier exklusiv die Frage: wieviel Kohle hatte Honecker? Wie man vielleicht weiß, hat die Staatsanwaltschaft der DDR kurz vor dem Ende ihrer Existenz Ermittlungen gegen Ex-Kader wegen Amtsmissbrauchs und Korruption eingeleitet, darunter auch gegen Erich Honecker nach seinem Sturz. Pikanterweise war es also „die SED-Führung“ selbst, nur eine andere, die den früheren Amtsmissbrauch aufgedeckt hat, der sich aus heutiger Sicht in doch sehr bescheidenen Ausmaßen bewegt hat. Der Wikipedia-Artikel über Erich H. hätte den interessierten Journalisten belehrt:

Honecker musste nach einer Hausdurchsuchung seine wertvolle Sammlung von Dienst- und Jagdwaffen abgeben, und sein Privatkonto mit einem Bestand von etwa 218.000 DDR-Mark wurde gesperrt.

218.000 DDR-Mark entsprachen im Jahr 1988 etwa 50.000 DM. Das ist weniger als mancher verdiente Berufsdemokrat im Bundestag der BRD monatlich an Nebeneinkünften bezieht – und das ganz ohne Ermittlungen seitens der ‚BRD-Führung‘.

Aber es gibt noch eine zweite Zahl, die wir nicht unterschlagen wollen. Wir geben zu: sie ist höher. Nämlich die exakte Höhe von „Honeckers Schatz“, höchstrichterlich festgestellt nach dem verlorenen Prozess seiner Witwe gegen die Bundesrepublik (eilig nachzulesen unter ‚Margot Honecker‘ auf Wikipedia):

Den Prozess gegen die Bundesrepublik Deutschland um das beschlagnahmte Vermögen der Eheleute Honecker in Höhe von umgerechnet etwa 60.300 Euro hat sie [Margot Honecker] 1999 verloren.

Je nun, mehr wird es nicht. Die DDR war also auch in korruptionstechnischer Sicht einigermaßen unglamourös. Und doch ist sie dem „Handelsblatt“ noch immer eine Meldung wert. Denn, wie es auch der schwäbische Mittelständler weiß, Kommunisten sind Kriminelle, und das kann man nicht oft genug sagen.

Im „Handelsblatt“ werden übrigens „rund 135 Millionen Euro“ erwähnt, unter Honeckers Foto:

Das Geld stammt von Konten des früheren DDR-Außenhandelsunternehmens Novum (…) [der] halb-kapitalistische[n] Außenvertretung des Arbeiter- und Bauernstaates

Ursprünglich also kein Privatvermögen. Schon gar nicht das von Honecker. Aber welchen „Handelsblatt“-Leser interessieren schon 135 Millionen, wenn man nicht dazu schreiben kann, es sei „Honeckers Schatz“ gewesen oder zumindest „ein Milliardenvermögen“ der „SED-Führung rund um Erich Honecker“?

Und warum schreiben wir das alles? Um zu belegen, dass Honecker ein integrer Staatsmann war und die DDR ein tolles Land? Nein. Nur um zu belegen, wie verlogen, wie ‚kundenorientiert‘, auf wie wenig selbst um bloße Faktizität bemühte Weise sogenannte Leitmedien der bürgerlichen Demokratie ihre Leser mit jener Ware versorgen, die sie zu ‚Informationen‘ umetikettieren wie der Kadaverhändler das Gammelfleisch. Nur darum.